Viele Menschen sind schüchtern. Doch das Unwohlsein in bestimmten Lebenslagen, die Furcht vor Kritik oder Abweisung, die Hilflosigkeit bei der Kontaktaufnahme mit anderen Menschen - all jene Faktoren entsprechen keinem Krankheitsbild. Vorwiegend handelt es sich um einen Charakterzug. Doch jener Charakterzug kann mitunter derart stark ausgeprägt werden, dass selbst der gewöhnliche Kontakt mit Menschen ein Problem darstellen kann. Spätestens dann, wenn die übermäßige Angst vor einer Kontaktaufnahme das Leben einschränkt, spricht der Mediziner von einem Krankheitsbild der sogenannten Sozialphobie. Das ist die klassische Angst vor Menschen.
Wie hoch die Wahrscheinlichkeit ist, dass die soziale Phobie derart stark auftritt, dass die Angst vor Menschen so intensiv in den Vordergrund tritt, dass das gewöhnliche Leben beeinträchtigt wird, kann – auch nach jahrzehntelanger Krankheitsbeobachtung – nicht gesagt werden. Unterschiedliche Studien präsentieren gravierende Differenzen; im Endeffekt wurde eine Prozentzahl zwischen 2,8 Prozent und 13,3 Prozent gewählt. Die Erkrankung selbst beginnt im Kindesalter und kann das ganze Leben lang den Betroffenen begleiten. Die Angst vor Menschen ist weltweit, neben den Depressionen und der Alkoholabhängigkeit, eine der häufigsten psychischen Erkrankungen. Die Ursachen sind vielfältig, wobei die Mediziner auf keinen gemeinsamen Nenner kommen, was nun tatsächlich eine Sozialphobie auslöst. Mediziner und Forscher diskutierten bereits über genetische Ursachen, die Zurückweisung der Eltern im Kindesalter bzw. komplexe Probleme in der elterlichen Beziehung zu ihrem Kind. Selbst die Kindergarten- oder Schulzeit und eine damit in Verbindung stehende „Außenseiterrolle“ des Betroffenen, eine äußerst unangenehme oder peinliche Situation vor seinen Klassenkollegen, ein familiärer Alkoholmissbrauch durch einen oder beide Elternteile oder auch ein sehr niedriger sozialer Status können Faktoren sein, welche die Angst vor Menschen begünstigen.
Die Manifestation der Phobie erfolgt durch traumatisierende Erlebnisse, die gleichzeitig als Auslöser dienen. Das können sehr unangenehme Auftritte vor den Klassenkameraden (etwa, wenn der Vortrag nicht gelingt) oder sportliche Defizite (Mobbing auf Grund Übergewicht oder Unsportlichkeit) sein. Auf Grund jener Erfahrungen und Erlebnisse entsteht - in weiterer Folge - ein verzerrtes Selbstbild der betroffenen Person. Die Selbstaufmerksamkeit wird erhöht; neue und unbekannte Herausforderungen werden gemieden. Betroffene sind des Weiteren sehr selbstkritisch, neigen zu Perfektionismus und legen einen sehr großen Wert auf die Meinung und das Urteil anderer Menschen. Oftmals steht die Meinung einer anderen Person über der eigenen Wahrnehmung. Die Angst vor Menschen kann sich auch körperlich bemerkbar machen. Klassische Symptome sind etwa Zittern, Erröten, starkes Schwitzen oder gar Übelkeit. Im weiteren Krankheitsverlauf können berufliche Einschränkungen sowie eine Vereinsamung eintreten. Jene Faktoren können derart stark ausgeprägt sein, dass selbst eine Berufsfähigkeit nicht mehr gegeben ist. Betroffene haben zudem auch das Gefühl, dass sie ihrer Phobie und der damit verbundenen Angst vor Menschen ausgeliefert sind. Vor allem dann, wenn die Angst vor Menschen derart ausgeprägt ist, dass eine komplette soziale Isolation eintritt. Sie selbst verspüren einen immensen Leidensdruck, der - so die Betroffenen - niemals geheilt oder gelindert werden kann. Jedoch helfen therapeutische Einrichtungen sowie dahingehende Behandlungen, dass die Angst vor Menschen deutlich verringert werden kann.
Der Mediziner stellt die Diagnose in Folge eines Patientengesprächs. Im Rahmen jenes Termins wird auch ein Fragebogen ausgefüllt; viele Ärzte beauftragen ihre Patienten, ein sogenanntes "Angst-Tagebuch" zu führen. Der Mediziner muss erkennen, wann die Angst vor Menschen besonders groß ist, welche sonstigen Probleme auftreten und ob gegebenenfalls Hinweise auf traumatische Erlebnisse vorhanden sind, die eine Sozialphobie erklären. Die Angst vor Menschen bzw. die soziale Phobie kann heutzutage durch die Behandlung eines Psychotherapeuten verringert werden.
Ebenfalls kann, bei ausgeprägten Erkrankungsmustern, eine medikamentöse Therapie erfolgen. Die besten Erfahrungen wurden jedoch im Bereich der kognitiven Verhaltenstherapie dokumentiert. Diese spezielle Therapieform wird auch bei Depressionen angewandt. Das Konzept der Therapie besagt, dass sich die betroffenen Personen den angsterzeugenden Situationen stellen müssen. Der Betroffene soll daher nicht, wie gewohnt, seiner Angst ausweichen, sondern darauf zugehen. Die Symptome dürfen dabei nicht unterdrückt werden. Der Betroffene muss lernen, dass er jegliche Angstzustände zulässt.
Klassische Übungen, wenn eine Angst vor Menschen besteht, sind etwa das Fahren in den öffentlichen Verkehrsmitteln, der Einkauf in größeren Geschäften oder Shopping-Centern oder auch der Besuch von Restaurants oder Cafés. Zu den weiteren Übungen zählen das Ansprechen fremder Menschen (die klassische Frage nach der Uhrzeit) oder die angebotene Leistung der Verkäuferin einzufordern und infolge eines Beratungsgesprächs wahrzunehmen.
Wird im Rahmen der Therapie eine medikamentöse Behandlung verordnet, erhält der Patient Antidepressiva. Vorwiegend kommen SSRIs (sogenannte Serotonin-Wiederaufnahme-Hemmer) zum Einsatz. Ein möglicher Erfolg oder erste positive Veränderungen, können aber erst nach etwa zwölf bis sechzehn Wochen festgestellt werden. Ist die Wirkung der Medikamente unbefriedigend, kann eine Erhöhung der Dosis erfolgen. Die neue Dosierung muss jedoch ärztlich verordnet werden; eine "Selbstmedikation" ist bei jenen Tabletten absolut untersagt. Bei einer deutlichen Verbesserung der Symptome, müssen die Medikamente - in ihrer gewählten Dosierung und Anwendung - für mindestens ein halbes Jahr eingenommen werden. Somit kann ein etwaiger Rückfall in alte Muster verhindert werden.
Neben SSRIs können natürlich auch andere Psychopharmaka zur Anwendung gekommen. Jedoch entscheiden sich die behandelnden Ärzte erst dann für alternative Medikamente, wenn die Beschwerden mittels SSRIs nicht gemindert werden. Bei akuter Angst können in weiterer Folge auch klassische Beruhigungsmittel, etwa Benzodiazepine, eingenommen werden. Jedoch haben diese Medikamente den Nachteil, dass sie eine sehr schnelle körperliche wie psychische Abhängigkeit verursachen. Aus diesem Grund ist es wichtig, dass die Verordnung jener Medikamente nur für einen kurzen Zeitraum gewährt und die Einnahme nur in extremen Angstsituationen erfolgt. Eine Behandlung der Ursache und Krankheit ist, nur durch die Einnahme von Benzodiazepinen, nicht möglich. Hier wird in erster Linie nur das Symptom - also die Angst vor Menschen - bekämpft. Für den Betroffenen steht die Behandlung an erster Stelle. Bei einer Nichtbehandlung verläuft die Phobie chronisch. In vielen Fällen wurden auch phasenartige Muster erkannt. Das bedeutet, dass die Angst vor Menschen an gewissen Tagen größer, an anderen Tagen wieder geringer ist. Spontanheilungen sind selten, aber möglich. Etwa 75 Prozent der Erkrankten leiden unter anderem an weiteren zusätzlichen psychischen Erkrankungen. Das sind - in Verbindung mit der Angst vor Menschen - Panikattacken, Depressionen oder auch Alkoholabhängigkeit. Etwa 15 Prozent der Erkrankten haben schon bereits einen Suizidversuch unternommen.